Montag, 7. April 2008

zur genderdebatte in der blogosphäre

aufgrund des taz artikels und eines missratenen workshops bei der re:publika ist beim franziskript eine wilde debatte ausgebrochen.
wie ist das denn nun mit den frauen und männerblogs?
die taz beschwert sich darüber, dass die trennung von öffentlich (männlich) und privat (weiblich) sich auch im netz wiederspiegelt, dabei könnte doch gerade das internet dafür genutzt werden sich unabhängig von geschlechtsidentitäten zu äußern, diese zu brechen, aufzulösen und -spinnen wir den faden weiter- sogar einen queeren raum zu schaffen. gender trouble im sinne judith butlers.
dem stimme ich im grunde uneingeschränkt zu.
problematisch ist vielleicht, dass wir in unseren identitäten verhaftet sind, dass menschen möglicherweise gerade in einer immer komplizierter werdenden gesellschaft (digitalisierung, individualismus, unzählige freiheiten für lebensentwürfe)das bedürfnis haben sich ihrer selbst zu vergewissern. da kommen geschlechtsidentitäten ganz recht. sie scheinen die einzigen zu sein, die noch feststehen. warum also nicht im blog zu erkennen geben, ob ich frau oder mann bin? schließlich will mensch ja auch von seinen lesern richtig eingeschätzt werden. unsere sichtweisen über andere sind nicht frei von geschlecht. wir haben konkrete vorstellungen davon wie menschen sein sollten und auch wie sie sich ihrem geschlecht gemäß verhalten sollten. -was, ein mann der strickt? um gottes willen, welche frau will denn neben einem strickenden mann auf dem sofa sitzen?
die neunziger jahre sind schon lange vorbei und damit wohl auch die aufbruchstimmung der postmoderne und des zu der zeit entstandenen postfeminismus. geblieben sind stichworte wie queer, transgender und drag, die zwar popularisiert, jedoch möglicherweise immer noch nicht als lebensensstile anerkannt werden. es stellt sich die frage, ob die popularisierung nicht eine entpolitisierung ist.
gucken wir uns die gegenwärtige mode an und vergleichen sie mit der vor zehn jahren, wird deutlich, dass geschlecht wieder eine rolle spielt. frauen sollten röcke tragen und ihr körperliches geschlecht zur schau stellen (ein wunderbares beispiel dafür ist die sendung von bruce darnell). die unigender mode ist vorbei.
das ist nicht falsch zu verstehen, natürlich können feministinnen röcke tragen (jeder mensch solllte röcke tragen können, wann immer er möchte).
für wichtig halte ich nur die selbstreflektion darüber, was das mit uns macht, in welchem geschlechterdiskurs wir uns befinden und welche strukturen dadurch aufgebrochen oder gefestigt werden können.
nun, zurück zu den blogs. hier kommen wir zu einer frage, die mich schon länger beschäftigt: warum bloggen menschen, was ist ihre motivation?
auch ich gehöre zu den frauen, die über privates oder gesundheitliches schreiben.
warum? es tut gut sich über manche dinge auslassen zu können, bloggen hat für mich auch eine art ventilfunktion, es bringt mich zum nachdenken, wie kann ich was schreiben und welche bedeutung hat diese oder jenes ereignis, diese oder jene emotion für mich? es geht über die tagebuchfunktion hinaus, denn erstens ist gebloggtes immer selektiv und zweitens impliziert es die möglichkeit (vor allem über kommentare) anteil zu nehmen. das kann einfach gut tun oder neue anstösse geben.
bloggen ist also auch die auseinandersetzung mit sich selbst innerhalb der gesellschaft. welches bild will ich von mir vermitteln, wie lebe ich im realen leben und welche diskrepanzen gibt es?
bloggen ist auch oft das abwägen von dem was öffentlich gesagt werden darf, denn bloggen ist öffentlich.
natürlich gibt es auch viele journalistische, politische oder hobbyinteressengeleitete blogs. damit wären wir wieder bei der geschlechterdebatte:
männer schreiben eher über ökonomische und politische themen, frauen eher privat oder hobbythematisch (stricken).
ich gehe davon aus, dass -trotz der möglichkeit des geschlechtsfreien raums- sich innerhalb des internets halt doch nur die geschlechterkonstruktionen der realen welt widerspiegeln. frauen empfinden sich als frauen und männer als männer, weil wir eben die dazugehörigen körper so bezeichnen und mit dieser bezeichnung verschiedene konnotationen (weich, stark, emotional, rational, öffentlich, privat), verhaltensweisen und interessen einhergehen. hier findet die konstruktion von der oben angesprochenenen geschlechtsidentität statt. das ist eine lange geschichte, die über jahrhunderte hinweg geht und mehr als sozialisation ist. die ganze konstruktion der gesellschaft baut darauf auf und wir, als mitglieder derselben, sind (leider) nicht frei davon.
an dieser stelle soll deutlich werden, dass nicht nur die bösen männer schuld sind an der immer noch nicht erreichten gleichberechtigung von frauen, sondern unsere über jahrhunderte hinweg, durch gesellschaftliche strukturen (die wir natürlich auch schaffen) verankerte geschlechterkonstruktion.
in dieser hinsicht sollten auch feministische sichtweisen, die noch der generation von alice schwarzer nachhängen, kritisch betrachtet werden. anscheinend wird sie von unwissenden noch als, die für den feminismus stehende, ikone angesehen. das ist jedoch 70er und 80er jahre feminismus, der erstens überholt ist und zweitens die oben genannten geschlechterkonstruktionen leider nicht aufbricht, sondern sich nur innerhalb dieser bewegt und dadurch eher zur festigung als zur auflösung derselben beiträgt.

da bloggen als phänomen an sich noch relativ jung ist, scheint es allerdings fast nicht verwunderlich, dass der workshop für bloggerinnen auf der re:publika unter ausschluss der männer stattfand. vielleicht muss die feministische bewegung innerhalb des netzes wieder in den 80er jahren anknüpfen, damit frauen und männer innerhalb und außerhalb von räumen über geschlecht debattieren. vielleicht muss hier einfach das im netz nachgeholt werden, was außerhalb des internets schon stattfand? auf jeden fall wurde durch das ausschließen der männer und den missratenen workshop ein diskurs angeregt, der schon zu verstummen schien. und das ist gut so. dieser dikurs stösst reflektionen über unser geschlechtsverständnis an und darüber welche strukturen und konstruktionen dem inhärent sind und auf welche weise wir sie inkorporiert haben. hier ist der anknüpfungspunkt für brüche mit dem ziel einer geschlechtergerechtigkeit, nicht nur für männer und frauen, sondern für jegliche art von geschlecht.

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